Liebe Frau Hendel, was für einen Film habe ich denn da am vergangenen Sonntag im Thalia in Babelsberg gesehen? Das könnte ich auch sein. Das könnten wir alle sein. Paul Gratzik, eine faszinierende, emotionale, ambivalente, ehrliche, verführbare, liebenswerte Persönlichkeit. Die aus ideologischer Überzeugung gefasste falsche)Entscheidung, Bekannte und Freunde zu bespitzeln und an den MfS zu verraten, kann ich nachvollziehen. Wir entscheiden uns in unserem Leben häufig falsch, in banalen wie in lebenswichtigen Angelegenheiten. Gratzik handelt nicht anders als du und ich. Interessant an seinem Lebensentwurf ist aber, dass er zu seiner falschen Entscheidung steht – und sie korrigiert hat. Das wiederum machen Wenige von uns.
Bei allem Verständnis für alle jene, denen die DDR-Nomenklatura und ihre Schergen unentschuldbares Unrecht angetan haben, kann ich doch die negativen Einschätzungen und Beschreibungen nicht teilen, die sich hier im Forum lesen lassen oder die ich im Thalia am Sonntag gehört habe. Gratizik hat, seine Kindheitsmuster werden daran nicht ganz unbeteiligt sein, an die Ideologie des Kommunismus als reine Lehre geglaubt, an den Ausgleich zwischen Reich und Arm, an die menschliche Gleichheit als Primat menschlichen Lebens. Dass er durch Staats-Demagogen nach dem verheerenden Krieg, angezett5elt von uns Deutschen, verführt und an der Nase herumgeführt worden ist, kann ich nachvollziehen. Gratzik hat, wie viele Altkommunisten nach dem Krieg an gesellschaftliche Veränderungen geglaubt, die nach der Nazi-Zeit auch dringend notwendig waren. Gratzik hat sich geirrt, hat sich falsch entschieden – und hat dies eingesehen und geändert, als das Ende der DDR noch nicht absehbar war.
Er ist deshalb exemplarisch für viele Menschen aus der DDR: Täter und Opfer zugleich. Dass er, wie im Fall der Opernsängerin, auch eine gewisse Feigheit an den Tag legt, ist für die Frau enttäuschend, für das Gros der Menschheit aber all zu bekannte Normalität. Wir spiegeln uns in Gratzik, er ist uns vertraut, und das ängstig natürlich einige von uns, – nur manchmal ist er etwas ehlicher und damit etwas mutiger als wir, selbst wenn er an eine Filmveröffentlichung nicht geglaubt hat. Der Film erzält und resümiert DDR-Geschichte, subjektiv dargestellt an einem Menschen, in dem sich das Grosse und Ganze dieses zu Recht untergegangenen Staates andeutet. Ein richtiger und ein wichtiger, sehr sensibler und hadwerklich gut gemachter Film von Frau Hendel, der bei der Aufarbeitung des eigenen Schicksals in der DDR behilflich sein kann. Ich warte auf weitere Filme dieser Art und Weise, die sich mit den Facetten unserer Geschichte exemplarisch auseinandersetzen. Dankeschön! Und auf die DVD freue ich mich – und bestelle sie hiermit vor.
25 Comments
Christoph von Sauberzweig says:
1.11.2011
Liebe Frau Hendel, was für einen Film habe ich denn da am vergangenen Sonntag im Thalia in Babelsberg gesehen? Das könnte ich auch sein. Das könnten wir alle sein. Paul Gratzik, eine faszinierende, emotionale, ambivalente, ehrliche, verführbare, liebenswerte Persönlichkeit. Die aus ideologischer Überzeugung gefasste falsche)Entscheidung, Bekannte und Freunde zu bespitzeln und an den MfS zu verraten, kann ich nachvollziehen. Wir entscheiden uns in unserem Leben häufig falsch, in banalen wie in lebenswichtigen Angelegenheiten. Gratzik handelt nicht anders als du und ich. Interessant an seinem Lebensentwurf ist aber, dass er zu seiner falschen Entscheidung steht – und sie korrigiert hat. Das wiederum machen Wenige von uns.
Bei allem Verständnis für alle jene, denen die DDR-Nomenklatura und ihre Schergen unentschuldbares Unrecht angetan haben, kann ich doch die negativen Einschätzungen und Beschreibungen nicht teilen, die sich hier im Forum lesen lassen oder die ich im Thalia am Sonntag gehört habe. Gratizik hat, seine Kindheitsmuster werden daran nicht ganz unbeteiligt sein, an die Ideologie des Kommunismus als reine Lehre geglaubt, an den Ausgleich zwischen Reich und Arm, an die menschliche Gleichheit als Primat menschlichen Lebens. Dass er durch Staats-Demagogen nach dem verheerenden Krieg, angezett5elt von uns Deutschen, verführt und an der Nase herumgeführt worden ist, kann ich nachvollziehen. Gratzik hat, wie viele Altkommunisten nach dem Krieg an gesellschaftliche Veränderungen geglaubt, die nach der Nazi-Zeit auch dringend notwendig waren. Gratzik hat sich geirrt, hat sich falsch entschieden – und hat dies eingesehen und geändert, als das Ende der DDR noch nicht absehbar war.
Er ist deshalb exemplarisch für viele Menschen aus der DDR: Täter und Opfer zugleich. Dass er, wie im Fall der Opernsängerin, auch eine gewisse Feigheit an den Tag legt, ist für die Frau enttäuschend, für das Gros der Menschheit aber all zu bekannte Normalität. Wir spiegeln uns in Gratzik, er ist uns vertraut, und das ängstig natürlich einige von uns, – nur manchmal ist er etwas ehlicher und damit etwas mutiger als wir, selbst wenn er an eine Filmveröffentlichung nicht geglaubt hat. Der Film erzält und resümiert DDR-Geschichte, subjektiv dargestellt an einem Menschen, in dem sich das Grosse und Ganze dieses zu Recht untergegangenen Staates andeutet. Ein richtiger und ein wichtiger, sehr sensibler und hadwerklich gut gemachter Film von Frau Hendel, der bei der Aufarbeitung des eigenen Schicksals in der DDR behilflich sein kann. Ich warte auf weitere Filme dieser Art und Weise, die sich mit den Facetten unserer Geschichte exemplarisch auseinandersetzen. Dankeschön! Und auf die DVD freue ich mich – und bestelle sie hiermit vor.